Oktober bis
Dezember 2006
Donnerstag
5.10.06
Ein kurzer Besuch bei Dr. Sendzik. Er las nochmals den
Vertrag durch und war einverstanden, auch mit der zwanzig
Jahren Bindungsfrist. Meine Achtung, dachte ich. Wir sind
ca. seit einem Jahr mit den Leuten in Kontakt. Mehr oder
weniger sind alle mit dem Projekt einverstanden. Nun steht
uns eben diese von dem Ministerium für Bauen und Verkehr
gesetzlich eingebaute Bindungsfrist von 20 Jahren im Weg
und überschattet mächtig alle Versuche um eine Einigung.
Wenn ich ein Eigentümer wäre, hätte ich auch schwere
Vorbehalte dagegen. 20 Jahre sind ein Klotz, es hindert die
Entscheidungen, es erschwert einen eventuellen Verkauf. 20
Jahre ist eine so ungeheuerlich lange Zeit, das Kind wird
erwachsen und aus dem Erwachsenen wird ein Greis…
Um 17:30 klingelten wir bei den Meinzenbach’s. Herr
Meinzenbach lag mit starker Grippe im Bett und hatte uns
vergessen.
Trotz seiner Krankheit gelang es uns, ihn an die Tür zu
locken, wo wir ihm den Vertragsentwurf in die Hand drückten
und ihn baten, farblich die Stellen zu markieren, über die
er stolpert.
Stumm nickte er und machte schnell die Tür zu.
Das gleiche Bild gegenüber, bei den Familien Wilden/Ollech.
Herr Ollech empfing uns an der Tür, hörte sich die Bitte
mit dem Vertrag an, nahm die Entwürfe entgegen, nickte und
war scheinbar froh, dass wir wieder weg waren…
»…ich komme mir vor, wie ein Verkünder der Sekte Jehova...«
sagte Roger.
»Demut üben« antwortete ich....
Montag
9.10.06
Mit Frau Schwanen telefoniert.
Still agieren, geduldig sein, an die 20 jährige Frist
müssen wir die Leute langsam gewöhnen, auch, wenn wir
selber nicht mehr dran glauben…
Samstag
14.10.06
Roger kam nach Köln. Während er meinen Computer fit machte,
erzählten wir uns Geschichten über Aachen, über Murales und
wie wir in zwanzig Jahren aussehen werden..., ich werde
dann kurz über 70.
Montag
16.10.06
Alle Kontakte pflege ich jetzt mehr oder weniger
telefonisch. Ich rufe die Leute an, frage, ob sie sich
schon den Vertrag angeschaut haben, diskutiere die
Unzulänglichkeiten mit ihnen durch.
Das was ihnen nicht gefällt, gebe ich weiter an Frau
Dormann im Stadtteilbüro, oder auch an Frau Bollwerk in
Rechtsamt. Es ist eine mühsame Arbeit, die nur wenige
Früchte trägt, kein Spaß macht und endlos scheint…
Dienstag
17.10.06
Der störende Faktor ist immer der gleiche, auch bei Frau
Schwanen.
Trotzdem bat ich sie, den Vertrag nochmals zu lesen und die
für sie unpassenden Stellen zu markieren. Frau Schwanen
hatte Angst etwas zu unterschreiben, was sie später bereuen
würde.
Befürchtung, die Leute zu strapazieren. Ich hatte einfach
Angst, dass es irgendwann alle so machen, wie Herr Rotheut.
Als ich ihn zum dritten Mal anrief, bat er mich in alle
Höflichkeit, nie wieder anzurufen. Er und seine Frau haben
kein Interesse mehr. Dabei hätten wir gerade sein Haus mit
den schönen Kassetten so gut gebrauchen können…
»…vielleicht steigt er irgendwann mal wieder ein…“ tröstete
mich Roger.
Dazu kommt die schreckliche juristische Sprache der
Verträge. Unsere Arbeit konzentriert sich momentan darauf,
den Leuten die Angst zu nehmen. Und das geht ohne eine Art
Grundvertrauen der Hausbesitzer zu uns nicht. Das Vertrauen
ist der Stoff, mit dem wir jetzt am meisten arbeiten.
Samstag
21.10. 06
Ich telefoniere jetzt täglich mit jemandem. Es ist sehr
mühsam, oft kommt mir nur die Stille entgegen. Ein Echo des
Schweigens und der Desinteresse. Nur mit NORMA komme ich
schnell voran.
Mittwoch
25.10.2006
Kerpen, in der Firma NORMA um 9 Uhr. In der Empfangshalle
holte uns Frau Voiß ab und setzte uns in ein steriles
Zimmer. Getränke auf dem Tisch und Fotos von den
verschiedenen Filialen an den Wänden, wir warten auf Herrn
Geruschke.
Er kam mit einem Assistenten. Nach kurzem beschnuppern
kamen wir langsam zur Sache. Herr Geruschke war offen, aber
es kommt natürlich an die Bilder an, wie sie aussehen
werden. Wir haben gleich die Erlaubnis bekommen, in der
Filiale in der Hüttenstrasse zu fotografieren. Es wäre auch
möglich, ein von NORMA gesponsertes Fest auf dem Parkplatz
zu organisieren.
Herr Geruschke bot uns mehr an, als wir erwarteten…
Die Verträge haben wir gar nicht erwähnt. »Das machen wir
auf eigene Kappe…« sagte Roger draußen.
Ich bin
umgezogen. Es war schon ein Kraftakt.
Unzählige Regale und Arbeitstische bauen, zwischen etlichen
Bananenkisten wohnen und sich dabei nicht zu verlieren. Die
neue Wohnung füllt sich, ohne dass sich die alte leeren
würde.
Als es an die Dunkelkammer kam, dachte ich lange darüber
nach, sie aufzugeben, nicht mehr zu errichten und alles zu
verkaufen. Das Material ist zu teuer und wird nicht mehr
hergestellt, die DK (Dunkelkammer) nimmt viel Platz weg.
Das Endergebnis – das Bild, wird digital besser, schneller
und billiger.
Andererseits ist die Arbeit in der Dunkelkammer wie
Meditation, ich habe immer noch eine Kamera mit s/w-Film
dabei und ein Barytabzug in richtiger Größe ist für mich
ein haptisches Erlebnis und durch nichts zu ersetzen.
Ich liebe es, im Dunklen mit nassen Fingern das Entstehung
des Bildes zu beobachten und zu beeinflussen.
Also, habe ich doch die Dunkelkammer gebaut, denn ich kann
mir mein Leben ohne sie immer noch nicht vorstellen.
Es ist die beste Dunkelkammer, die ich je besaß…
Donnerstag
26.10.2006
Den ganzen Tag werkelte ein Handwerker an den
Wasserleitungen für meine neue Dunkelkammer. Später kam ein
anderer Handwerker, der die Küche einrichtete und noch ein
dritter, der die Messgeräte für die Heizung auswechselte.
In diesem bohren und hämmern klingelte das Telefon und Frau
Dormann teilte mir aufgeregt mit, dass das Ministerium für
Bauen und Verkehr die Bindungsfrist von 20 Jahren
aufgehoben hatte. Für wie lange die Kunstwerke an den
Wänden jetzt bleiben müssen ist neu auszuhandeln. Wir
dürfen aber mitreden.
Frau Dormann sagte auch, dass wir erst handeln können, wenn
die Aufhebung von dem Ministerium schriftlich bestätigt
wird. Gleichzeitig einigten wir uns auf Verlängerung der
Abgabefrist für die Gestattungsverträge bis zu dem 15.
November.
Das bohren und hämmern verschwand im Hintergrund, ich
setzte mich in eine stille Ecke und obwohl ich kein
Verdienst in der Angelegenheit hatte, empfand ich es als
ein persönlicher Triumph. Das Glück und die Gewissheit,
dass uns ab jetzt nichts im Weg steht.
Die Bindungsfrist von 20 Jahren ließ auch Frau Dormann
nicht in Ruhe. Sie telefonierte in dem zuständigen
Ministerium für Bauen und Verkehr von Beamten zu Beamten so
lange durch, bis sie Erfolg hatte. Zwanzig Jahre sind für
die Materialien wie Bronze, Stein oder Holz gemeint.
Zwanzig Jahre hätten dem Fresko der Murale Fotografie gut
getan. Aber für vorgehängte Planen ist es eine unsichere
Zeit.
Zuerst dachte ich, dass dieses Gesetz gänzlich aufgehoben
wäre, später erfuhren wir allerdings, dass diese Ausnahme
nur unserem Projekt galt. Frau Dormann hatte einen
Ansprechpartner gefunden, den sie überzeugen konnte, uns
eine Ausnahme zu erteilen.
Wenn wir es früher gewusst hätten, hätten wir uns viel
Ärger sparen können....
Wenn wir es früher gewusst hätten, hätte es auch für das
Fresko der Murale Fotografie gereicht…
Wenn wir es früher gewusst hätten, hätten wir nicht so
viele Erfahrungen sammeln können…
(Mail
Roger > GEWOGE >
Teil1_Teil2)
Freitag
10.11.2006
Um halb eins trafen wir Herrn Leopold, den Verkaufsleiter
der NORMA vor der Filiale in der Hüttenstrasse. Er erklärte
uns was wir Fotografieren dürfen und was nicht. Dann
verbrachten wir in der Filiale zwei Stunden mit Aufnahmen.
Anschließend ein Gespräch mit einem Bewohner einer der
Sozialhäuser in der Weißwasserstraße auf dem Parkplatz vor
NORMA. Er lud uns zum Kaffe ein.
Montag
13.11. 2006
Mittwoch
15.11. 2006
Freitag 1.12.2006
(Mail
Roger)
Sonntag
10.12.2006
Nach Düsseldorf. Vier Stunden haben wir Broschüren
gedruckt, sie gebunden, Bilder geklebt, Texte aktualisiert,
alles geordnet.
Roger montierte zwei Bilder zusammen und druckte sie groß
aus. Morgen haben wir mit unserem Projekt einen Auftritt
vor den politischen Parteien.
Montag 11.12.2006
Ich kam in Aachen eine Stunde vor dem Termin bei Frau
Nacken an. Wir stellten unser Projekt, nach zwei Jahren,
den kulturpolitischen Sprechern der politischen Parteien
vor. Sie kamen langsam zusammen, jeweils zwei Leute pro
Partei. Frau Nacken, die Gastgeberin, stellte uns jedem
einzeln vor. Eine Stunde lang dauerte unsere Präsentation
und es war kein Problem, die Politiker zu überzeugen…
Unmittelbar nach der Sitzung besprachen wir mit Frau Nacken
persönlich das weitere Vorgehen bis zur
Werkvertrag-Unterschrift zwischen uns und der Stadt Aachen.
Nach der Werkvertrag-Unterschrift gilt das erste Drittel,
die Vorarbeit, als beendet. Das Projekt läuft und wir
kriegen endlich die erste Bezahlung.
Das Beste daran, alles muss noch vor Jahresende passieren…
Mittwoch
13.12.2006
Heute muss sich unser Projekt im Hauptausschuss
behaupten..., ohne uns......
Donnerstag
14.12.2006
Roger kam zu mir nach Köln. Wir arbeiteten sehr lange an
den Korrekturen des Werkvertrages. Danach zur Post, um das
Projektkonto zu eröffnen.
Montag 18.12.2006
Um 11 Uhr im Stadtteilbüro mit Frau Bollwerk von Rechtsamt,
Frau Dormann und Frau Petersen. Nach ca. einem Jahr und
einer zweistündigen finalen Verhandlung unterschrieben wir
den Werkvertrag mit der Stadt Aachen. Für die von
Ministerium für Bauen und Verkehr immer noch nicht
festgelegte Frist wurden Lücken freigehalten.
Es war knapp, aber rechtzeitig, es fiel mir dabei schwer,
nach so langer Zeit konkret an die Kunst in der
Hüttenstraße zu denken.
Das Projekt wird unter
bestimmten Bedingungen, die in unserem Werkvertrag
festgeschrieben sind, fortgesetzt. Außer der Bindungsfrist
haben sich die Bedingungen nicht verändert, wir müssen nach
wie vor bis zu einem bestimmten Datum fünf
Gestattungsverträge für mindestens fünf Fassaden, verstreut
durch die Hüttenstraße, vorlegen.
Die Situation hatte sich dann doch verkompliziert. Das
Ministerium für Bauen und Verkehr hatte zwar die
Bindungsfrist von 20 Jahren aufgehoben, aber keine neue
angesetzt. Zuerst konnten wir die Frist selbst abschätzen
und mitbestimmen, später war die Rede von drei, dann von
vier oder auch fünf Jahren. Keine wollte es aber in
Ministerium schriftlich bestätigen.
Seit 26.Oktober wissen wir, dass die Frist aufgehoben ist,
es hatte aber Monate gedauert, bis das Stadtteilbüro
schriftliche Bestätigung bekam, die die Bedingung unseres
Werkvetrages war.
Weitere Monate hatte es gedauert, bis sich endlich jemand
in Ministerium entschied, dass die neue Bindungsfrist für
unser Projekt Murale Fotografie vier Jahre beträgt. Die
schriftliche Bestätigung der Frist ist wiederum eine
Bedingung für die Gestattungsverträge…
Obwohl es Frau Dormann, später Herr Bergaß und zum Schluss
auch Frau Nacken reklamiert hatten, verzögerte sich die
ganze Angelegenheit bis in das Jahr 2007.
Ich stellte mir einfach wieder jemanden in dem Ministerium
vor, der keine Verantwortung übernehmen wollte, aber keinen
fand, der es ihn abnahm, und so verzögerte es sich so
lange…, es konnte aber auch ganz anders gewesen sein…
Wir haben die Verträge
unterschrieben, uns wurde auch die Frist für die Abgabe der
Gestattungsverträge verlängert. Kurz vor Ende des Jahres
kriegten wir auch das erste Geld ausbezahlt. Ich nannte es
Weihnachtsgeld…
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