Es folgte eine einjährige Pause, das Projekt wurde jetzt von der Stadt Aachen neu angeschoben, zu der Teilnahme meldeten sich 9 Künstler, die meisten aus Aachen. Schon in Juli bekam ich eine Einladung zum gemeinsamen Treffen in August.
Donnerstag 25.8.2005
Wir trafen uns um 11 Uhr im Stadtteilbüro in der Hüttenstraße, saßen im Kreis und guckten uns misstrauisch an. Die, die sich kannten sprachen miteinander, sonst herrschte gespannte Ruhe.
Uwe Brandt führte uns in die Thematik ein, dann stellte er seine neue Kollegin Stephanie Dormann vor, die dann die Rahmenbedingungen erläuterte. Es wurde ein Termin vorgeschlagen, bis wann wir ein Exposé mit der Skizze und Kostenschätzung einreichen sollten. Zum Schluss zauberte er mein Heft hervor, zeigte es der Runde und sagte, dass ich schon meinen Entwurf eingereicht habe. Es folgte eine Fragerunde.
Nach der Fragerunde ging’s raus, in die Hüttenstraße. Es war kalt und regnerisch. Die eingeladenen Maler, Bildhauer und Objektkünstler machten eine schweigsame Begehung durch die trostlose, verregnete, deprimiert wirkende Hüttenstraße. Geführt von Uwe Brandt, der vieles erklärte und ab und zu Fragen beantwortete.
Nach einer halben Stunde war es vorbei. Wortlos gingen wir auseinander, in den Gesichtern meiner Kollegen sah ich die Ratlosigkeit, die auch mich bei der ersten Begegnung mit diesem Ort so überfiel. Vielleicht war es aber nur der Blues des verregneten Tages am Ende des Sommers. Schließlich sind wir alle hier, um es zu ändern, dachte ich.
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Dienstag 18.10.2005
Die Jury hat getagt. Jemand rief mich an und teilte mir mit, dass ich die meisten Stimmen bekommen hatte.
Die entfernten Gedanken kamen langsam wieder...
Auch ohne konkrete Vorstellungen zu haben war mir klar, dass ich meine analoge Fotografiewelt, zumindest halbwegs, verlassen werde. Ich freute mich auf eine Begegnung mit neuen Materialien, auf das haptische Abenteuer der Bilderverarbeitung in die Fassaden.
Die Frescos, meine bis in die Renaissance reichende Vorstellung, als es noch Engel gab und die Bibel das meistgelesene Buch war. Die Zeit als Camera Obscura erfunden wurde und die Maler für Gott malten.
Ich freute mich auf das epische Erzählen, was sich auf den Flächen der großen & größeren Häuser erstrecken wird.
Nun suchte ich einen Techniker mit Instinkt und Intuition, einen Improvisator, einen Begleiter für meine Reise. Jemanden, der mir alle meine Fragen beantwortet, vor allem die noch nicht gestellten……
Roger war eigentlich der einzig für mich in Frage kommende Partner. Ich dachte nie über jemanden Anderen nach, ich hatte nie eine Alternative und ich musste mich auch nie anders entscheiden. Kurz bevor dieses Projekt kam, war auch schon Roger da. Manchmal kommt es mir so vor, als ob ich ihn speziell zu diesem Zweck kennen lernen sollte. So hab ich Roger Bröchler gefunden. So findet man einen Freund......
Mittwoch 26.10.2005
Bei Roger in Düsseldorf, fragen, ob er mitmacht. Er nickte und wir machten einen Termin für kommenden Sonntag aus. Die Hüttenstraße kennenlernen...
Sonntag 30.10.2005
Rothe Erde mit Roger. Die Hüttenstraße öffnet sich langsam. Häuser ohne Inspiration, fremde Blicke hinter den Gardinen, als wir vorbeigehen.
Versuche alles in die Kamera zu bannen, wo ich nur ein Hauch von Möglichkeit sah.....
Mitte der Straße. Der Wind windelt ein Zeitungsfetzen um meine Beine, ich hebe es hoch und lese die Schlagzeile - „Wir“– Gefühl in Rothe Erde. Ein Artikel mit vielen Fotos. Auf den Fotos alle die Menschen, mit denen wir im nächsten Jahr zusammen arbeiten werden. Von unsichtbarer Hand in das Viertel eingeführt.....sage ich zu Roger...
Mehrmals hin und her gelaufen. Bedächtig öffnen sich die beschränkten Möglichkeiten der Straße. Vor jedem Haus bleiben wir stehen, haben hineingehorcht, den Puls, den Atem rausgefühlt.
Über eine Art Erzählpfad nachgedacht. Von Haus zu Haus, entlang der ganzen Straße.
Nicht unbedingt die ganzen Flächen füllen, sondern Fragmente, Stücke, Andeutungen, ergänzt mit Texten. Autographen der Menschen. Materialisierte Gedanken, Geschichte der Hüttenstraße, des Hüttenwerkes.
Die Hüttenstraße endet in dem Tunnel an dem Continental Werk, wirkt wie ein Tal, verengt sich wie ein Trichter. Ist laut und stink, und auch wenn sie leer ist, wirk sie sehr dynamisch.
Die NORMA. Vier große Flächen, wie eine Galeriewand wirkend. Davor sehr geräumiger Parkplatz dem Wind ausgesetzt. Am Sonntag leer & trostlos, gegenüber STAWAG Mauer.
Alles Flächen zum Erzählen.
Donnerstag 3.11. 2005
Aachen. Gespräche mit den Menschen auf der Straße. In einem griechischen Imbiss zwei Frauen angetroffen. Die eine war die Inhaberin, die andere, Maria die Tschechin, lebt schon seit 15 Jahren hier in Rothe Erde. Betreibt mit ihrem Mann einen Funkladen gegenüber dem Imbiss. Beide erzählten uns über das Leben und die Verhältnisse hier. Eine Litanei. Über die paar übrig gebliebenen Kneipen, fehlenden Bäckereien, über die Schulen und Kindergärten, über die Barbarakirche ohne Pfarrer, die Kriminalität und verärgerten Einheimischen. Die Straße bekommt für mich eine Dimension.
Maria, meine neue tschechische Freundin aus der Hüttenstraße hilft mir dabei.
Montag 7.11.2005
In Düsseldorf. Auf verschiedene Materialien haben wir Proben gedruckt. Im Keller bei Roger haben wir dann diese Muster „frescoartig“ angebracht, geklebt.
Die Technik entstand in meinem Kopf, hat keinen Vorgänger und kein Maßstab. Wir müssen den Vorstellungen irgendwie gerecht werden.......
Mittwoch 23.11.2005
Im Stadtteilbüro.
Roger als Partner vorgestellt und gemeinsam den ersten Entwurf vorgelegt.
Die erste Materialprobe präsentiert. Rogers Idee mit dem Container.
Frau Dormann und Herr Brandt geben Bedingungen vor, stellen Ansprüche, zeigen Grenzen. Das Projekt ist auf zwanzig Jahren angelegt. Am Anfang eine Zahl ohne Bedeutung, die langsam zu einer Tragödie wird.
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