Sonntag 4.4.2004

Mit Harald Kunde in Aachen telefoniert. Wir haben eine Stunde über die Kunst, die Politik und die Beziehungen gesprochen. Zum Schluss hat er noch gesagt…„…hätte ich beinahe vergessen. Frau Kunz von Stadtteilbüro meldet sich bei dir. Ich hab dich für ein Projekt hier in Aachen vorgeschlagen. Kunst in der Hüttenstraße, ein soziales Projekt, hab an deine Bilder, die an dem Wallraf-Richarz Museum hängen gedacht, es würde schon passen…“ sagte Harald und legte auf.

Im Juni 1999 fand in Köln der Weltwirtschaftsgipfel statt. Damalige Kulturdezernentin Marie Hüllenkrämer, geborene Aachenerin, hat mein Projekt „101 Nationen einer Stadt“ als BegleitKulturprojekt zu dem Gipfel auserwählt. Ca. eine Woche vor dem Gipfel wurden die CityLight Kästen in der ganzen Stadt mit den Portraits aus meinem Projekt bestückt. Meine „kölschen Ausländer“ beobachteten überall in der Stadt tagsüber das Geschehen der Passanten, nachts bestrahlten sie den Weg der Heimkehrer. Mit meinen Plakaten & Planen wurden Löcher gestopft und Ruinen zugedeckt.
Einer der Tagungsorte des Wirtschaftsgipfels war auch der Gürzenich. Schröders, Chiracs & Clintons mussten an dem sich im Bau befindenden Wallraf-Richarz Museum und der Ruine des Kurtzkaufhauses vorbei zur Tagung in die gute Stube.
Und so kam es, dass die Stadt die Ruine mit meinen Portraits aus dem 101 Nationen Projektes verhüllt, verschönert hatte.


Aufbau 101 Nationen einer Stadt

Der Weltwirtschaftsgipfel war schon längst vorbei, aber die Plane hing noch fast 5 Jahre lang an dem Haus. Sie überlebte Frau Hüllenkrämer, war bei der Eröffnung des neuen Wallraf-Richarz Museums dabei und trotzte, vier Karnevalssessionen lang und mittendrin in Epizentrum, allen Wetterbedingungen. Dem Regen, Sturm, dem Schnee und auch der Sonne. Dem Material schadete es nicht, die Plane setzte wunderbare Patina an....

CityLight 101 Nationen einer Stadt

Auch in meinem Kopf setzte ein Prozess an. Immer, wenn ich vorbei ging, dachte ich, wie schön es wäre, so etwas in ähnlicher Form, konzeptuell und in sozial-urbanem Kontext zu realisieren. Denn diese Idee habe ich mir nicht ausgedacht, es war ein Geschenk der Stadt, die eine schnelle Notlösung brauchte, sie fragten mich nur, ob ich einverstanden wäre. Dann wurde das Projekt von einem Grafiker im Auftrag der Stadt schnell mit den Vorlagen, die schon für die CityLightPoster vorgefertigt waren, realisiert. Aus der Notlösung wurde ein Prozeß, nicht nur in meinem Kopf. Als Harald an dem Sonntag anrief, hatte er an diese Plane an dem Kaufhaus Kurtz gedacht, die eine schnelle Notlösung war......

Dienstag 20.4.2004
Ina Kunz rief mich vor paar Tagen tatsächlich an. Sie schilderte mir kurz ihr Anliegen und machte mit mir einen Termin aus.

Ina Kunz lachen

So fuhr ich heute zum ersten Mal nach Aachen-Rothe Erde, in die Hüttenstraße, parkte an der Barbarakirche und ging in das Stadtteilbüro, wo auf mich Frau Kunz wartete.
Ina Kunz hatte eine ganze Menge Material für mich vorbereitet, sie schilderte mir kurz die Geschichte des Viertels und die daraus resultierende Problematik. Rothe Erde hat keine Infrastruktur, hoher Ausländeranteil von nicht integrierten Menschen und eine Kirche ohne Pfarrer. Sie äußerte auch ihre Vorstellungen und Wünsche. Als ich das Stadtteilbüro verließ, habe ich mir die erste Begehung gegönnt und erste Eindrücke gesammelt.......
Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich in einem verwahrlosten Viertel rumlaufe.
Die Hüttenstraße ist übersichtlich, ca. 500 Meter lang und beide Enden haben einen klaren und markanten Anfang, je nach dem wo man steht. Mehr fiel mir dazu nicht ein...

Mittwoch 21.4.2004

Ich fuhr heute zu Roger nach Düsseldorf.
Roger ist Erfinder, Bastler und der Kenner für mich unbekannter Materialien &
Materien. Ich schilderte ihm alle meiner Vorstellungen und fragte nach Möglichkeiten der Realisation. Er übersetzte meine Sprache in Pixel und gab mir die Vorstellungen digitalisiert zurück.

Roger voltabene

Sonntag 25.4.2004

Zum zweiten Mal in Aachen-Rothe Erde. Ich ging die Hüttenstraße rauf und runter und fotografierte beide Enden auf s/w Film. In die Vorstellungen mischten sich ständig meine Portraits von Kaufhaus Kurtz. Ich sah sie überall, sie lachten mich als Frescos von den Fassaden der umliegenden Häuser herunter. Als ich noch mal vom Ende zum Ende ging, bekam ich doch noch eine Idee. Sie hatte nichts mit der Fotografie zu tun, war eher von der schlangenartigen Linie der Hüttenstraße inspiriert.
Zu Hause zeichnete ich dann den ganzen Abend diese Linie und hob sie als eine Art Skulptur oder Denkmal auf das Rondell vor dem Continental Werk empor.
An heutigen Abend verließ mich die Fotografie vollkommen…

Huettenstrasse

Mit Ina Kunz und Uwe Brandt vom Stadtteilbüro einigte ich mich auf einem Abgabetermin.
Im Mai arbeitete ich an einem Entwurf, schrieb Texte, konsultierte Leute wie Frank Trompetter, der gerade im benachbartem Aachener Ostviertel ein fotografisches Projekt mit zwei Filmemachern realisiert hatte.
Link zur Webseite. Ich setzte mich mit der Rothe Erde auseinander und am 8.6.2004 überreichte ich Uwe Brand drei Hefte mit meinen Entwürfen & Vorstellungen und vergaß schnell die ganze Sache, wenigstens für diesen Sommer.

Präsentation (als pdf > ca. 800k)

Dienstag 20.7.2004
Frau Kunz rief mich an, um mir die Entscheidung der Politik mitzuteilen. Sie hatten bemängelt, dass kein richtiger Wettbewerb zu dem Thema ausgeschrieben wurde. Dadurch wurde die ganze Sache bis zur weiteren Entscheidung vertagt. Frau Kunz ging in den Schwangerschaftsurlaub und Herr Brand teilte mir mit, dass er sich irgendwann später meldet. Mein Entwurf könnte aber weiter verwendet werden, sagte er, »Wir müssen allerdings auf eine Entscheidung der Politik warten.« fügte er hinzu......

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