Der Raum Aachen war einmal ein bedeutendes Zentrum der deutschen Frühindustrialisierung. Hier blühte bereits eine vielseitige Industrielandschaft, als man im Ruhrgebiet gerade erst anfing, mit den neuen Wirtschaftsformen zu experimentieren. Auf der Grundlage der natürlichen Standortvorteile wie Bodenschätze und Gewässerreichtum, sowie mit der tatkräftigen Unterstützung ausländischer Ingenieure und Investoren, entstand hier u.a. der Aachener Hütten-Aktien-Verein Rothe Erde. Gegründet 1845/46 entwickelte er sich schnell zum Zentrum eines Konzerns mit Hochöfen, Stahlwerken, Zechen und verarbeitenden Betrieben. Bedeutende technische und wirtschaftliche Impulse gingen von hier aus. Die hiesigen Aufsichtsratsvorsitzenden bestimmten gemeinsam mit den Stahlbaronen im Ruhrgebiet auch über Preise, Einfuhrquoten und Produktionsmengen. Wenn es sein musste, reichte ihr Einfluss bis nach Berlin.
Und als bedeutendster Arbeitgeber sicherte die Hütte rund tausend Familien eine bescheidene Existenz, die diese aber zu keiner Zeit geschenkt bekamen.
Streiks erschütterten das Werk und seine unmittelbare Umgebung.
Die Arbeiter solidarisierten sich. Gewerkschaften kämpften für höhere Löhne und mehr Rechte.
Und noch über die endgültige Schließung im Jahr 1926 hinaus prägte das Werk die Gesellschaft. Nämlich mit Massenarbeitslosigkeit und der Verarmung ganzer umliegender Gemeinden und Stadtteile. Später siedelten sich immer wieder neue Unternehmen an.
Doch Rothe Erde blieb, was es war. Eine Region, deren Entwicklung engstens mit dem Auf-und-Ab der ansässigen Industrie verknüpft ist.

Das Projekt »Aachen Rothe Erde - Kunst in der Hüttenstraße

2007
Die Hüttenstraße schlängelt sich auf ca. 500m Länge zwischen Berliner/Madrider Ring und Ostviertel. In der Straße befindet sich eine Kirche ohne Pfarrer, eine Grundschule und viele Häuser verschiedener Epochen.
Die Straße grenzt an zwei großen Werke, die Philips Industriepark Rothe Erde GmbH und die Continental AG, Werk Uniroyal Aachen.
Die Hüttenstraße ist übersichtlich und voller Geschichte.
In der Ausschreibung der Stadt Aachen mit dem Titel »Kunst in der Hüttenstraße«, sollte die Geschichte mit der Gegenwart verschmelzen, die Straße visualisiert und in Form eines »Denk-Mal-Pfades«, der auf 4 Jahre aufgelegt ist, realisiert werden.
Obwohl so alt, befinden sich in der Straße nur wenige Häuser, die an das Vergangene erinnern oder denkmalgeschützt sind. Viele Lücken geben einen freien Blick auf leere Wände, blinde Mauern der Häuser, die ab und zu von einer Werbefläche mit wechselnden Reklame gefüllt ist.
Unser Projekt »Murale Fotografie« arbeitet mit diesen Wänden, die ungewöhnliche, monumentale Erzählweisen bieten.
Der Begriff »Muralismus« entstand nach der mexikanische Revolution von 1910-17 mit sozial und politisch engagierter Wandmalerei.
Führende südamerikanische Protagonisten waren die Maler Rivera, Orozco und Siqueiros. Zeitweise ist diese Bewegung in Vergessenheit geraten, heute erlebt sie wieder eine Art Renaissance, agiert vernetzt und global in der ganzen Welt, wenn auch die politische oder soziale Wirkung nicht so im Vordergrund steht.
Das Projekt »Murale Fotografie« ist an den Muralismus angelehnt und arbeitet mit Fotografie auf modernen Materialien, die auf die Wand gearbeitet werden können und eine neue visuelle Erfahrung ermöglichen.
Die Bilder verbinden die geschichtliche Vergangenheit mit der menschlichen Existenz der Gegenwart und dokumentieren das Leben in der Straße. Wie ein roter Faden ziehen sich die Bilder von Haus zu Haus und erzählen eine Legende, eine gefundene Geschichte oder spiegeln das gegenwärtige Leben wieder.
Die vorliegenden Entwürfe bieten eine optische, formale Lösung. Sie zeigen, wie eine murale Fotografie in Kontext der Straße wirken könnte.
Das Verständnis der Eigentümer und ihr Sinn für die Geschichte war die Voraussetzung der Realisation, denn sie tragen die Verantwortung nicht nur für ihr Haus, sondern auch für die Wirkung der ganzen Straße.
Die Häuser sind stille Zeugen der Vergangenheit, sie hüten in ihren Mauern verborgene Schätze an Energien, die bis in die Zukunft wirken.
Diese Schätze aufzuspüren und in die Bilder umzusetzen war unser Ziel.
Die Bilder sollten heiter und fröhlich sein, ohne kitschig zu wirken. Das Projekt sollte nicht über die Menschen, sondern in aktiver Zusammenarbeit mit den Menschen entstehen.
Wir erhielten viele Anregungen und Ideen, die jeder Einzelne in das Projekt eingebracht konnte. Teilen Sie uns weiterhin Ihre Anregung im Gästebuch mit oder schreiben Sie uns eine Mail. Wir danken für die vielen anregenden Gespräche und Begegnungen und hoffen auf weiterhin rege Kommunikation.

Am 12.Oktober 2007 feierten wir die Enthüllung der Arbeiten.
Die Dokumentation über die letzte Phase und die Enthüllung mit den entsprechenden Fotos wird von uns gerade erarbeitet. Auch den Sendetermin des Filmes über die Hüttenstraße werden wir hier bekanntgeben.

Roger Bröchler
Josef Snobl
November 2007